von Oliver GEORGI , Redakteur in der Politik, Frankfurter Allgemeine Zeitung , 08.04.2016.
Nach Schließung der Balkanroute ist die Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge deutlich gesunken. Im März wurden im „Easy“-System nur noch rund 20.000 Asylsuchende registriert – im Dezember waren es noch 120.000.
© dpa Flüchtlinge Ende November bei Wegscheid (Bayern): Der Zustrom an Asylsuchenden nach Deutschland hat sich drastisch verringert
Die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland ist im ersten Quartal des Jahres drastisch gesunken. Wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Freitag in Berlin mitteilte, wurden im so genannten „Easy“-System im März noch 20.000 Asylsuchende registriert, im Februar 60.000 und im Januar 90.000. Im Dezember 2015 seien es noch 120.000 gewesen. Im gesamten ersten Quartal 2015 wurden demnach noch mehr als 500.000 Asylsuchende im Easy-System registriert, im ersten Quartal 2016 waren es nur noch rund 170.000. Das ist eine Reduzierung um 66 Prozent.
Auch die Zahlen, die von der Bundespolizei vor allem an der deutsch-österreichischen Grenze erhoben werden, sind nach Aussage von de Maizière deutlich rückläufig. Im März wurden demnach nur noch 5000 Asylsuchende registriert, im Januar waren es noch 64.000, im Dezember sogar 107.000. „Im Tagesschnitt haben wir derzeit deutlich unter 200 Asylsuchende am Tag“, sagte de Maizière.
Die drastisch rückläufigen Zahlen zeigten, dass die von der Bundesregierung ergriffenen nationalen Maßnahmen griffen und vor allem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) eine „erfolgreiche Arbeit“ leiste, sagte de Maizière. Die Diskrepanz zwischen den Zahlen des „Easy“-Systems und denen der Bundespolizei sei den „bekannten Problemen“ unter anderem mit doppelten Registrierungen geschuldet, so der Innenminister. „Im Sommer werden wir mit Nacherfassungen aber vollständige Klarheit über die Zahlen haben und auch die Lücke zwischen dem Easy-System und der Bundespolizei vollständig schließen.“
Die Zahl der tatsächlichen Asylanträge ist nach de Maizières Angaben im ersten Quartal deutlich gestiegen, während die Zahl derer, die nach Deutschland kämen, drastisch gesunken ist. Das liege daran, dass viele, die längst in Deutschland seien, erst jetzt einen Asylantrag stellten. „Das ist eine gute Botschaft, dass die Altfälle abgearbeitet werden.“ In den letzten Monaten habe das Bamf allein 340.000 Vorakten für Asylverfahren angelegt.
Auch die Zahl der Asylsuchenden aus den Balkanstaaten hat sich nach de Maizières Angaben drastisch reduziert. Habe der Anteil der Asylanträge aus den sechs Balkanstaaten im ersten Quartal 2015 noch bei 61 Prozent gelegen (20.000 Asylsuchende), habe er im 1. Quartal 2016 nur noch bei 5 Prozent gelegen (3000 Asylsuchende). Dies zeige, dass die Einstufung der Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer Wirkung zeige, so de Maizière.
© dpa Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, hat sich in den letzten Wochen reduziert – ob das am Abkommen der EU mit der Türkei liegt, darüber wird weiter heftig gestritten.
Die Zahl der Rückführungen abgelehnter oder aussichtsloser Asylbewerber ist unterdessen drastisch gestiegen: In den ersten beiden Monaten des Jahres 2016 gab es demnach 4500 Rückführungen, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum, als es noch 2000 waren. Am Donnerstag seien zum ersten Mal 24 tunesische Staatsbürger in einem Charterflugzeug abgeschoben worden, was durch eine entsprechende Vereinbarung mit Tunesien möglich geworden sei, so de Maizière. Mehr als 5000 Asylsuchende verließen Deutschland im Februar freiwillig – im Februar 2015 waren es noch 1300.
De Maizière sagte, die rückläufigen Zahlen zeigten, dass das Abkommen der EU mit der Türkei „gut angelaufen“ sei. Trotz der positiven Entwicklung der Zahlen im ersten Quartal sei es aber zu früh, für das gesamte laufende Jahr eine Prognose abzugeben. „Das wäre nicht seriös“, sagte de Maizière. „Wir wissen nicht, wie sich die Umsetzung des Abkommens mit der Türkei dauerhaft entwickelt.“
Auch sei unklar, wie sich die Ausweichrouten der Flüchtlinge vor allem über das Mittelmeer über Libyen und Italien entwickelten und wie Italien sich daraufhin verhalten werde. „Eine Prognose auf der Basis der jetzigen wäre entweder zu niedrig oder zu hoch“, sagte de Maizière. Auch zur Frage, wie viele Asylsuchende Deutschland insgesamt in diesem Jahr aufnehmen könne, wollte sich de Maizière nicht äußern. Das „Leistungsvermögen“ Deutschlands sei aber „hoch“, sagte er.
„Wir haben in den letzten Monaten und im ersten Quartal des Jahres viel erreicht“, fügte der Innenminister an. „Die von uns ergriffenen Maßnahmen wirken, aber wir dürfen und werden in unseren Bemühungen nicht nachlassen.“