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Putschversuch in der Türkei: Ein Schlag für die türkische Wirtschaft

Die türkische Wirtschaft ist stark abhängig von Kapital aus dem Ausland. Der politische Umsturzversuch dürfte wenig geeignet sein, ausländische Geldgeber bei Laune zu halten. Die Verletzlichkeit des Landes steigt.


von Thomas Fuster , Neue Zuericher Zeitung
Der Tourismus leidet in der Türkei unter dem Terror und der politischen Instabilität: In Antalya warten Händler auf einkaufswillige Touristen. (Bild: Kaan Soyturk / Reuters)
Der Tourismus leidet in der Türkei unter dem Terror und der politischen Instabilität: In Antalya warten Händler auf einkaufswillige Touristen. (Bild: Kaan Soyturk / Reuters)

Man mag von der islamisch-konservativen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) halten, was man will. Tatsache ist, dass die seit 2002 ununterbrochen an der Regierungsmacht stehende Partei der Türkei zu einer ungewohnt langen Periode innenpolitischer Stabilität und zu einem beeindruckenden Wirtschaftsaufschwung verholfen hat. Diese Stabilität hat durch den vereitelten Putschversuch einen opferreichen Härtetest erfahren. Dessen Folgen sind derzeit zwar erst schwer abschätzbar. Zweifellos wird die Zäsur in der weltweit 17. grössten Volkswirtschaft aber auch ökonomische Spuren hinterlassen.

Einbruch der Lira

Besonders schnell auf Schockereignisse reagieren zumeist die Devisenmärkte. Die türkische Lira, die seit Jahren vor allem gegenüber dem Dollar stetig an Wert verloren hat, gab unmittelbar nach Bekanntwerden des Putschversuchs um fast 6% nach. Dies entsprach dem stärksten Einbruch seit Oktober 2008. Mit der sich abzeichnenden Stabilisierung der sicherheitspolitischen Lage dürfte die Währung zwar wieder an Wert zulegen. Der Umsturzversuch, der in der Türkei auf eine unrühmliche Tradition zurückblickt, hat den Investoren aber die politischen Risiken im Land in Erinnerung gerufen. Sie gesellen sich zur bereits vorhandenen ökonomischen Verletzlichkeit.

Eine schwächere Währung und risikoscheue Anleger sind für die Türkei nämlich besonders problematisch: Erstens verteuern sich mit schwacher Lira die Importpreise, was den Kampf gegen die bereits hohe Teuerung zusätzlich erschwert. So liegt die Geldentwertung derzeit mit 7,6% weit über dem von der Zentralbank angestrebten Wert von 5%. Zweitens ist ein gewichtiger Teil der knapp 400 Milliarden Dollar hohen Auslandsverschuldung in Dollar denominiert. Das gilt vor allem mit Blick auf die hochverschuldeten Unternehmen. Deren Verbindlichkeiten werden schwieriger zu bedienen, sollte die Lira weiter an Wert einbüssen.

Die Achillessehne des Landes

Drittens verschärft eine mögliche Abkehr ausländischer Investoren das Problem des chronischen Leistungsbilanzdefizits der Türkei. Dieses Defizit – die Achillessehne der türkischen Wirtschaft – ist vor allem auf die hohe Abhängigkeit des rohstoffarmen Landes von Energieimporten zurückzuführen. Der aussenwirtschaftliche Fehlbetrag ist aufgrund des billiger gewordenen Erdöls zwar gesunken in den vergangenen Jahren, und zwar auf rund 4% der Wirtschaftsleistung. Das Defizit wird aber noch immer schwergewichtig durch kurzfristige und spekulative Gelder aus dem Ausland finanziert, kaum jedoch durch langfristige und daher stabilere Direktinvestitionen. Die Abhängigkeit von «hot money» macht das Land sehr verletzlich. Die Gefahr eines raschen Kapitalabflusses hängt stets wie ein Damoklesschwert über dem Land. Wiederholte Versuche des türkischen Präsidenten Erdogans, die Unabhängigkeit der Zentralbank einzuschränken, unterminieren dabei das Vertrauen, dass diese rechtzeitig und adäquat wird gegensteuern können.

Nicht unberührt bleibt von den dramatischen Fernsehbildern wohl auch der Tourismussektor. Dieser steuert mit jährlichen Einnahmen von über 30 Milliarden Dollar normalerweise knapp 5% zum Bruttoinlandprodukt bei. Die diversen Terroranschläge und Reisewarnungen der vergangenen Monate haben jedoch bereits vor dem Putschversuch die Lust an Ferien in der Türkei getrübt. So reisten im Mai rund 23% weniger Gäste ins Land als im Vorjahresmonat. Dieser Trend droht durch die jüngsten Unruhen zusätzlich verstärkt zu werden. Es fliessen also weniger Devisen ins Land, was wiederum die Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits erschwert.

Erdogan – die grosse Unbekannte

Ungeachtet der seit geraumer Zeit sehr angespannten Lage der Tourismusbranche befand sich das Land bis vor kurzem in einer ökonomisch vergleichsweise guten Verfassung: Die Wirtschaftsleistung legte im ersten Quartal um überraschend hohe 4,8% zu, und sie dürfte im vollen Jahr laut Prognosen der OECD um 3,7% wachsen. Mit Blick auf die sicherheitspolitisch höchst instabile Nachbarschaft der Türkei ist dieses Wachstumstempo alles andere als selbstverständlich. Die lokale Börse verzeichnete zudem bisher seit Anfang Jahr ein hohes Plus um 15%, womit Istanbul die meisten Aktienmärkte weit hinter sich lässt. Die für eine zehnjährige Staatsanleihe verlangte Rendite ist zudem von 11% im Mai auf jüngst noch 8,9% gesunken.

Ob diese Risikoprämie nach dem ereignisreichen Wochenende nun bald wieder steigen wird, bleibt vorerst offen. Vieles hängt vom Verhalten von Präsident Erdogan ab. Die Gefahr ist gross, dass dieser seinen autoritären Kurs weiter verschärfen und den Putsch als Vorwand nehmen wird, um den Staatsapparat von Leuten zu säubern, die nicht stramm auf seiner Linie sind. Entsprechend weiter wachsen würde dann sein Einfluss auf die Justiz und die Wirtschaftspolitik. Spiegeln könnte sich dies nicht nur in einer weiteren Unterhöhlung der Rechtsstaatlichkeit. Verschärfen würde sich wohl auch die Gängelung der Zentralbank, von der Erdogan trotz hoher Inflation tiefere Zinsen verlangt. Dem internationalen Vertrauen in die wirtschaftliche Stabilität des Landes wäre dies wenig förderlich. Es gibt somit vor allem auch mittelfristig gute Gründe, sich um die Wirtschaft der Türkei Sorgen zu machen.

Quelle: NZZ, 16.7.2016

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