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Analyse des Erdbebens: Italien zerbricht

Immer wieder wird Italien von katastrophalen Erdbeben erschüttert. Dafür gibt es eine tiefgreifende Ursache: Das Land steckt in einer geologischen Falle.

 Folgen des Erdbebens: Italien in Gefahr Fotos

INGV

Wer genau hinsieht, erkennt die Gefahr auf Spaziergängen durch die mittelalterlichen Städte Italiens: Die Steinwände alter Gebäude sind unten dicker als oben, sie wurden gegen Einsturz gesichert.

Wilma Leskowitsch

Von

 

Früh wussten die Bewohner von der Bedrohung: Italien steckt in einer geologischen Falle. Sein Boden ist zersplittert in Hunderte kilometerdicker Felsplatten. Wie Schraubzwingen drücken kriechende Kontinentalplatten von den Seiten gegen die Schollen.

In der Nacht zum Dienstag hielt ein Segment im Apennin-Gebirge in Mittelitalien dem Druck nicht mehr Stand. Gut sechs Kilometer westlich der Ortschaft Accumoli in der Gebirgsregion Latium barst das Gestein in elf Kilometer Tiefe.

Der Ruck von Millionen Tonnen Gestein erschütterte den Boden mit der Wucht von 15 Millionen Tonnen TNT-Sprengstoff.
Hochrechnungen des Erdbebendienstes der USA, dem USGS, zeigen, dass 13.000 Menschen in Umbrien und den Abruzzen von „schweren Erschütterungen“ betroffen waren; 234.000 spürten dem USGS zufolge „sehr starke Erschütterungen“. Und noch im 140 Kilometer entfernten Rom zitterten Wände.

Video: So erlebten die Anwohner das Erdbeben

REUTERS

Siedlungen nahe des Bebenzentrums wurden schwer getroffen. „Die Hälfte des Ortes gibt es nicht mehr“, sagte der Bürgermeister von Amatrices angesichts der Zerstörungen. Mindestens 73 Menschen kamen dort und in umliegenden Dörfern und Städten ums Leben.

Die Region ist glücklicherweise nicht besonders dicht besiedelt, keine Großstadt wurde stark erschüttert. Der USGS rechnet dennoch mit Schäden in Höhe von mehreren Milliarden Dollar.

Erdbebendaten dokumentieren das gespenstische Geschehen unter der Erde. Anhand der Ankunftszeit der Bebenwellen schließen Forscher auf die Bewegung des Gesteins in der Tiefe: Die Wellen breiten sich gleichmäßig in alle Richtungen aus, wie Wellen in einem See, wenn ein Stein ins Wasser plumpst.

AFP

Am nahen Ufer branden die Wellen eher an. Indem man die Ankunftszeiten der Wellen an mehreren Uferabschnitten vergleicht, lassen sich Ursprungsort und die Bewegungsrichtung des Steins bestimmen – ebenso bei Erdbeben.

Die Daten zeigen, was geschah: Mitten in der Nacht zum Dienstag, um 3:36 Uhr Ortszeit, war ein riesiges Gesteinspaket unter Accumoli mit Wucht abgerutscht – es war die Folge interkontinentaler Zusammenstöße, die seit Jahrmillionen dauern.

Von Süden presst die Afrikanische Erdplatte Italien wie einen Sporn in den Europäischen Kontinent, sodass sich in der Knautschzone die Alpen türmen – sie heben sich einen Millimeter pro Jahr.

Im Westen drückt Europa: Korsika, das auf der Europäischen Platte liegt, bewegt sich mit drei Millimetern pro Jahr auf Italien zu. Der Druck hat den Apennin aufgefaltet, das Gebirge durchzieht das stiefelförmige Italien der Länge nach.

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Erdbeben in Europa: Wo der Boden gewackelt hat

Das Apennin-Gebirge rutscht unter dem Druck langsam auseinander: Die zusammengequetschten kilometerdicken Felsschollen stapeln sich bis nahe des Erdbodens – rutschen sie ab, bebt es. Die Gefahr im Apennin ist deshalb besonders groß – es bebt oft nahe der Erdoberfläche.

Italien zerreißt. Messungen mit GPS-Navigationssatelliten zeigen, dass die Landesteile in unterschiedliche Richtungen driften. In Jahrmillionen werden Teile Mittelitaliens mit dem Balkan verbunden sein, andere mit den Alpen, und manche Blöcke werden als Inseln aus dem Meer ragen.

Historischer Stadtkern von Amatrice nach dem Beben Zur Großansicht

AP

Historischer Stadtkern von Amatrice nach dem Beben

Ganz Italien ist von Erdbeben bedroht, vor allem anhand von bekannten Beben bestimmen Wissenschaftler die Gefahr in den einzelnen Regionen: Die stärksten Schläge drohen ganz im Süden, im Zentrum des Landes und in der Gegend um Bologna. Auch das aktuelle Bebengebiet liegt in einer knallroten Hochrisikozone (siehe Fotostrecke).

Erhöhte Gefahr

Immer wieder verursachten Erdbeben schwere Katastrophen in Italien: 1688 starben bei einem Beben in Kampanien 10.000 Menschen, 1703 gab es ebenso viele Opfer in Umbrien, 1783 starben 29.000 Personen in Kalabrien, 1908 kamen mehr als 60.000 bei Erdbeben und den folgenden Tsunamis in Süditalien um, und 1915 ereignete sich ein Starkbeben just in der jetzt aktuellen Katastrophenregion: 30.000 Menschen starben damals.

Das Erdbeben von L’Aquila 2009 beschädigte 15.000 Gebäude, 308 Menschen starben unter den Trümmern. Das Beben ereignete sich nur 45 Kilometer südlich des aktuellen Bebens.

Das L’Aquila-Beben hätte die Gefahr schwerer Folgebeben erhöht, warnten Wissenschaftler bereits 2009 in einer Studie: Die Verschiebung der Gesteinsschollen hätte benachbarten Fels verstärkt unter Druck gesetzt.

Das aktuelle Beben füllt eine seismische Lücke: Es ereignete sich in einem Gesteinspaket, das just zwischen den Bebengebieten von L’Aquila und Assisi liegt, wo es 1997 gebebt hatte.

Das Beben von L’Aquila hatte eine Debatte entfacht über die Bauqualität. Viele Neubauten waren eingestürzt, was eklatante Baumängel offenbarte – Normen waren ignoriert worden. Alte kompakte Gebäude hingegen hielten den Erschütterungen meist stand – ihre breiten Mauerfüße hatten sich abermals bewährt.

Източник: Spiegel online

 

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