Der globale Kapitalismus macht die ganze Welt zum Spielplatz der Reichen. Die Panama Papers erinnern daran: Nicht die Flüchtlinge sind unser Problem – sondern die Steuerflüchtlinge.
Und dann gibt es die Wirklichkeit der Reichen. Die verborgene Welt. Versteckt hinter Zäunen und Hecken und Mauern. Nehmen Sie den Hubschrauber, dann können Sie diese Welt von oben sehen, die Pools, die Parks, die Terrassen. Aber Sie nehmen ja nicht den Hubschrauber. Sie nehmen die staubigen Straßen.Sie stehen im Stau. Sie zahlen Steuern. Wie dumm von Ihnen.
Die Panama Papers zeigen, wie der internationale Kapitalismus wirklich funktioniert. Und was wir sehen, ist unappetitlich: Gier, Gleichgültigkeit, Betrug, Korruption. Was die „Süddeutsche Zeitung“ gemeinsam mit anderen Medien veröffentlicht, ist eins der größten Datenlecks aller Zeiten: 11,5 Millionen Dokumente. 2,6 Terabyte an Daten. E-Mails, Urkunden, Kontoauszüge und Geschäftsbriefe einer Wirtschaftskanzlei im mittelamerikanischen Panama, die darauf spezialisiert ist, Geld in Offshore Firmen unterzubringen. Wohlgemerkt: Nicht alles davon ist kriminell. Aber man kann getrost davon ausgehen: Das meiste schon.
Der ukrainische Schokoladenzar Poroschenko, nebenbei Präsident seiner Republik, demokratischer Hoffnungsträger der Post-Maidan-Ukraine und Verbündeter des Westens, findet sich genauso in den Listen wie mehrere enge Vertraute seines Erzfeinds, des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Geld verbindet eben. Über alle Machtkonflikte hinweg, jenseits aller ideologischen Gräben – das Motto des Piraten Jack Sparrow teilen sie alle, die Schurken und Gauner und Diebe, die einen großen Teil dieser Welt in der Hand halten: Nimm was du kriegen kannst und gib nichts wieder zurück!
Kapital ist mobil, Moral ist fad
Das internationale Kapital hat sich eine zweite Welt geschaffen, mit eigenen Regeln, unsichtbar und unzugänglich für die Nicht-Eingeweihten.
Eine parallele Dimension, die uns umgibt, die wir aber nicht greifen können. Und in die unsere Politiker auch nicht eingreifen wollen. Wie auch? In den Listen tauchen die Verwandten und Mitarbeiter ehemaliger und amtierender Staatschefs von wenigstens 35 Ländern auf, von Angola bis zum Vereinigten Königreich. Denn es ist ja auch Europa dabei: Frankreich, Italien, Ungarn oder Spanien.
Überhaupt die Briten. In den Winkeln ihres ehemaligen Empires, von dem zwar nur noch kleine, dafür aber umso nützlichere Steueroasen übrig geblieben sind, findet jedes Geld der Welt seinen Platz. Die Kanzlei in Panama handelte im Auftrag von mehr als 300.000 Unternehmen, mehr als die Hälfte von ihnen sind in Steuerhäfen angesiedelt, die unter britischer Verwaltung stehen, oder in Großbritannien selbst.
Premierminister David Cameron hat schon vor vier Jahren über die Offshore-Anlagen geklagt, die „nicht fair und nicht richtig“ seien.
„Worte, Worte Worte“, sagt Hamlet in solchen Fällen. Jetzt will Cameron wirklich mal was ändern. Also jetzt wirklich. Eine Gesetzesänderung ist bereits angekündigt, nach der ein zentrales Register die wahren Eigentümer und Profiteure der verschachtelten Briefkastenfirmen enthalten soll. Aber keine Sorge – ein kleines Schlupfloch tut sich schon wieder auf: die Register können vielleicht auch in den Ländern geführt werden, in denen die Offshore-Firmen registriert sind. Also Offshore.
Wir lernen: Kapital ist mobil, Moral ist fad. Die Welt des globalen Kapitalismus kennt keine Grenzen für das Geld. Und keine Gesetze für die Reichen. Grenzen und Gesetze sind für die Armen und die Dummen. Die Öffentlichkeit im Westen erregt sich über die Flüchtlinge. Weil man sie sehen kann. Die Steuerflüchtlinge lassen uns einigermaßen kalt. Weil sie die Macht haben, zu verschwinden.
Der Westen, der so stolz auf seine Werte ist, verschließt seine Grenzen für verängstige Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben. Aber er öffnet sie für schmutziges Geld auf der Suche nach einer besseren Anlage. Die Verbrecher, die Ausländern die Häuser anzünden und Menschen verprügeln, der hässliche Pöbel, der mit seinem Geschrei den Flüchtlingen Angst macht, die glatten Damen und Herren von der AfD, die mit ihren kalten Parolen die Parlamente erobern – sie sind alle die nützlichen Deppen dieses Systems.